Medienecho

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Kabarettist Frank Fischer über die „meschugge Welt“

Als Frank Fischer sein Programm „Meschugge“ schrieb, war Angela Merkel noch Bundeskanzlerin, Jens Spahn Gesundheits- und Andreas Scheuer Verkehrsminister. Doch dann wurde die Welt von einer Pandemie ausgebremst, Fischer konnte seine komödiantisch-kabarettistische Kreation kaum aufführen und musste sie inzwischen mehrmals umschreiben.

„So viel ist seither passiert“, sagte der Wahl-Mainzer am Sonntagabend im Büttelborner Café Extra. Dass Spahn einen irgendwie merkwürdigen Blick habe und Scheuer schier jeden politischen Irrsinn überlebe, ließ Fischer aber doch im Programm. Aber auch deren Nachfolger Karl Lauterbach und Volker Wissing bekamen ihr Fett weg. Zudem lieferte Fischer weitere satirische Belege dafür, wie meschugge die deutsche Politik ist – und zwar parteien- und ämterübergreifend bis hin zu Bundeskanzler Olaf Scholz.

Meschugge, ein umgangssprachliches, aus dem Jiddischen entlehntes Wort für „verrückt, abgedreht“, sind aber auch Menschen, denen man im Alltag begegnet – zum Beispiel der Mann, der im Supermarkt seine Pfandflaschen in den Automaten steckt, und sich dann bei dem Gerät beschwert, dass es sich nie bedankt; die Verkäuferin in der Bäckerei, die fragt, ob das Pfund Brot denn zum Mitnehmen sei. Da sei ihm beinahe ein „Nein zum Hieressen“ entfahren. Überhaupt: „Im Einzelhandel gibt es so viele Leute, die komplett einen an der Waffel haben.“ Natürlich sowohl beim Personal als auch bei der Kundschaft.

All das trägt Fischer lächelnd im charmanten Plauderton vor. Dass er Spaß am Improvisieren hat, wird deutlich, wenn er schlagfertig mit dem Publikum interagiert. Dabei nimmt er sogar in Kauf, dass ein Gag eine ganz andere Wendung nimmt als geplant.

Und wenn dem netten Frank von nebenan wie aus dem Nichts ein „Du dumme Sau“ rausrutscht, dazu eine Grimasse sein Gesicht verzerrt, will er damit keinen vermeintlich unliebsamen Gast beleidigen. Nein, der in Rüsselsheim geborene und aufgewachsene Satiriker zitiert lediglich den Schauspieler Klaus Kinski, den meschuggen Pendler zwischen Genie und Wahnsinn.

Während Fischer also pointiert von Beobachtungen an der Supermarktkasse, in der Fußgängerzone oder sonst wo in der Öffentlichkeit erzählt, fühlt man sich irgendwie ertappt. Ist man selbst vielleicht auch meschugge? Und falls ja: Wie weit ist die eigene Macke wohl schon fortgeschritten? Diese Ungewissheit muss Fischers Publikum aushalten.

Aber nicht nur lustige Harmlosigkeiten sprudeln aus ihm heraus. Zuweilen, wenn sein Programm einen Bogen ins Sozialkritische schlägt, kann Fischer auch bissig werden – etwa beim Anprangern von Auswüchsen in sozialen Netzwerken. Da spricht er über Psychos, die die Kommentarfunktion bei Facebook für geistige Fehltritte und Hasstiraden missbrauchen. Bleibt man denn nirgendwo vor dieser durchgeknallten Welt verschont? Doch, meint Fischer: „Wenn man mal komplett seine Ruhe haben möchte, geht man zum Infoschalter im Baumarkt.“ Dort treffe der Besucher garantiert niemanden, zumindest keinen auskunftsfähigen und -willigen Mitarbeiter.

Egal, welche Art von Verrücktheit sich eingenistet hat, nach Fischers Erfahrung begegnen sich alle diese Menschen an einem Ort: „Bei der Deutschen Bahn.“ Da wisse er als Bahn-Vielfahrer, von was er rede.

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 08.02.2022- Text: Dirk Winter – Bild: Robert Heiler