Medienecho

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Politisches Kabarett mit HG Butzko in Büttelborn

Satirisch zugespitztes Philosophieren über die zweite Supermarktkasse, die trotz länger werdender Schlange penetrant geschlossen ist, kann sich geradezu befreiend aufs Publikum auswirken. Denn ehe HG Butzko am Sonntagabend dieses leicht verdauliche Thema vortrug, hatte der Kabarettist den 40 Gästen im Café Extra schon viel zugemutet. Eigentlich fasst die Büttelborner Kleinkunst-Institution gut 80 Personen. Aber wegen der Corona-Pandemie verzichtet das Café-Extra-Team aus Sicherheitsgründen, die Kapazität voll auszuschöpfen.

Wer die leichte Gute-Laune-Unterhaltung sucht, ist bei dem Mann mit bürgerlichem Namen Hans-Günter Butzko im falschen Kabarett. Der in Berlin lebende Gelsenkirchener ist satirisch mit Tiefgang unterwegs. Er buhlt nicht mit plumpem Witz um den leicht verdienten Applaus.

Butzko schert sich kein bisschen darum, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen. Schlichtes Einordnen in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, macht ihn skeptisch. Und statt im Mainstream mitzuschwimmen, bespritzt er sein Publikum mit Fakten und Standpunkten, die gerade nicht so sehr gefragt sind. Oder wer will angesichts der schier unerträglichen Bilder des Ukraine-Kriegs gerade hören, dass das Asow-Regiment – eine paramilitärische Einheit im ukrainischen Militär – wegen seines ultranationalistischen Hintergrunds umstritten ist? Symbol des Regiments ist die historisch vorbelastete Wolfsangel, verwendet beispielsweise von einer Panzer-Division der Waffen-SS.

Man stelle sich Nazi-Umtriebe in der Bundeswehr vor, zieht Butzko jäh den Vergleich zu bundesdeutschen Verhältnissen: „Oh, ganz schlechter Vergleich“, ätzt der Kabarettist angesichts öffentlich gewordener rechtsextremer Chat-Gruppen in der deutschen Armee. In solchen Fällen hat der Ruhrpott-Berliner keine Scheu, betretene Mienen aus lachenden Gesichtern zu machen.

Aber damit kein falscher Eindruck entsteht, stellt Butzko klar, dass er den Angriffskrieg russischen Präsidenten Wladimir Putin verabscheut. Dass ihn dieser, wie er ihn skizziert, wahlweise despotische Autokrat oder autokratische Despot zutiefst anwidert. Auch deshalb: Würde er, Butzko, in Putins Russland mit abgeschaffter Meinungs- und Pressefreiheit leben, könnte er politisches Kabarett gar nicht machen. „Ich hätte nie gedacht“, sagte Butzko, „dass ich einmal dankbar sein würde, von einem Mann wie Olaf Scholz regiert zu werden.“

Der zweideutige Titel seines Programms, „Aber witzig“, führt je nach Deutungsweise in die Irre – oder ist ausgesprochen treffend. Denn vieles im politischen und gesellschaftlichen Geschehen ist in der Tat aberwitzig. Manche Details der Corona-Verordnungen in den vergangenen beiden Jahren etwa. Vorgaben, die ja immer „logisch, nachvollziehbar und konsequent“ gewesen seien, merkte Butzko mit bissiger Ironie an. Dass beispielsweise in Großraumbüros normal gearbeitet werden konnte, während man nachts seine Wohnung nicht verlassen durfte, um draußen Menschenansammlungen zu vermeiden.

Dass aber Sterbende im Krankenhaus oder Hospiz nicht mehr von ihren Angehörigen besucht werden durften, „das war so ziemlich das Perveseste, was ich von einer Bundesregierung jemals erlebt habe“. Das macht HG Butzko mit seinem Publikum: Während man noch über den vorherigen Text lacht, wächst der Kloß im Hals.

Da tun Beobachtungen beim Schlangestehen an der Supermarktkasse zur Abwechslung mal ganz gut.

 

 

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 10.05.2022 – Text: Dirk Winter – Bild: Samantha Pflug