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„Kabbaratz“ zeigt neues Programm in Büttelborn

BÜTTELBORN - Monatelang musste das Café Extra seine Veranstaltungen entweder absagen, verschieben oder ins Internet verlegen. Mittlerweile darf die kleinste hessische Kleinkunstbühne wieder Publikum empfangen, am Sonntag nun schon zum zweiten Mal seit der Lockerungen der Corona-Auflagen. „Aber gefühlt“, sagte Kulturamtsleiterin Claudia Weller, „ist da nach so einer langen Pause jede Veranstaltung eine Premiere“. Diesmal war’s wirklich eine – eine Vor-Premiere, um genau zu sein. Das Kabarettduo „Kabbaratz“, seit 1992 fast jedes Jahr im Café Extra zu Gast, führte in Büttelborn also schon mal sein neues Programm auf. Die eigentliche Premiere ist für 12. September im Darmstädter Halbneun-Theater angekündigt.

„Ich würde alles für mich tun – das Kuschelprogramm“ haben Evelyn Wendler und Peter Hoffmann ihr 31. gemeinsames Werk betitelt. Aber ehe das Ehepaar aus Darmstadt geistreich und satirisch zugespitzt die Widersprüchlichkeit der modernen Konsens- und Toleranzgesellschaft aufdeckte, hielt Hoffmann erstmal einen Corona-Prolog. Ein Text, entstanden im Zusammenhang mit einem Stipendium von der hessischen Kulturstiftung. Mit den Augen des Kabarettisten blickte Hoffmann also auf das, was die Pandemie aus dem Alltagsleben gemacht hat. Seit Corona sei ein Mensch, der sich x-mal am Tag die Hände wasche, kein Fall einer Zwangsneurose, sondern „ein leuchtendes Beispiel für Hygiene“.

Und dann brachten die beiden Protagonisten die Vieldeutigkeit ihres Duo-Namens wieder einmal zum Leben. In „Kabbaratz“ stecken außer Kabarett auch kabbeln und Rabatz. Auf der Bühne zelebrierten Wendler und Hoffmann denn auch herrlich komische Kabbeleien. Mal waren einfach nur Streitgespräche über die Deutungshoheit über irgendwelche Begriffe, die sie bis zur Haarspalterei interpretierten. Mal führte das auch zum eigentlichen Kern ihres Programms, dem Zustand der Gesellschaft. Ob es wohl noch Gemeinschaftsgeist gibt? „Vielleicht auf der Autobahn“, sagte sie: „Wenn jemand freiwillig rechts fährt?“ – „Das nennt man Schwertransport“, entgegnete er.

Das „Kabbaratz“-Duo beschäftigte sich mit der Pseudo-Toleranz sogenannter Querdenker. Es hielt der selbstverliebten Selfie-Generation den Spiegel vor. Aber auch den Typen, die es wohl schon immer gegeben hat: Wir nehmen teil an einem Gespräch unter benachbarten Gasskehrern, die sich erst über ein weggeworfenes Schnapsfläschchen aufregen. Sich aber dann als Spießer entpuppen, die in ihrer Gerüchteküche einem möglicherweise unbescholtenen Nachbarn unterstellen, Frau und Kinder zu verprügeln.

In einer anderen Szene karikierten Wendler und Hoffmann politische Korrektheit. Dazu packten sie genüsslich ein heißes Eisen an, nämlich die Darmstädter Debatte um die Umbenennung von Straßennamen. So entschied die Stadtverordnetenversammlung unlängst, dass die Hindenburgstraße anders heißen soll. „Kabbaratz“ hätten da einen Vorschlag: Es bei dem Namen zu belassen, diesen aber umzudeuten. Künftig solle nicht der historisch umstrittene Reichspräsident Paul von Hindenburg gemeint sein, sondern der Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“. Das Luftschiff, 1937 bei der Landung in Lakehurst (USA) zerstört, sei zwar nach dem Reichspräsidenten benannt gewesen. Aber der sei bei der Jungfernfahrt 1936 ja schon tot gewesen. Obendrein sei die LZ 129 mit Wasserstoff betrieben worden – damals der Grund für die Brandkatastrophe, heute ein Energieträger der Zukunft.

 

Quelle: Echo-Online vom 06.07.21 – Text: Dirk Winter – Bild: Robert Heiler