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Büttelborn: Zwei Hasardeure im Musikrausch

„Die beiden sind wirklich toll, das ist mal was ganz Besonderes“, hieß es aus dem Kreis der 30 Gäste im Café Extra zur Pause des musikalischen Parforceritts des Duos „Notenlos“. Bastian Pusch und Andreas Speckmann brillierten am Freitagabend mit kühnen Songinterpretationen, die sie gut gelaunt und mühelos aus dem Ärmel zu schütteln schienen.

Die Hemdbrust makellos weiß und faltenfrei, die Fliege akkurat gebunden, wirkten die beiden herausragenden Sänger und Musiker an den E-Pianos auf der Kleinkunstbühne wie just der Oper oder einer VIP-Gala entsprungen, was die Komik ihres Auftritts noch erhöhte. Ihr Konzept, dem Publikum nach einem Einstieg mit der Moritat von „Mackie Messer“ aus der Dreigroschenoper die Regie des Abends zu überlassen, begeisterte. Auf Zuruf aus dem Saal wurde das Bänkellied kurz darauf so abgewandelt, dass es schien, Reinhard Mey, Helene Fischer, Edith Piaf und „Rammstein“ erklängen per Knopfdruck aus der Musikbox.

Freilich würzten Pusch und Speckmann ihre Adaptionen mit persiflierenden Elementen. Nachdenklich, emotional, melancholisch oder im wilden Stakkato, versehen mit signifikanten Attitüden der jeweiligen Stars, amüsierten diese humoristischen Verarbeitungen königlich.

Die Begeisterung des famosen Duos am stilistisch verwegenen Puzzlespiel übertrug sich schnell aufs Publikum, das ohne Scheu beitrug, fantastische Kombinationen der Interpreten und Genres einzufordern. Nach langer, gemeinsamer Bühnenerfahrung gab es tatsächlich keinen Musikwunsch, der das Bühnenduo kalt erwischte. Ein Blickwechsel genügte, die unvorhersehbaren Präferenzen der Zuhörer in Klang zu übersetzen.

Aus den Siebzigern und Achtzigern wurden die Hits „Dancing Queen“, „Griechischer Wein“, „Ti amo“ und „Über sieben Brücken“ vom Publikum gewünscht. Welch ein Vergnügen, als die Evergreens dann neuen Interpreten angedichtet wurden. Pusch und Speckmann haben die Charakteristika von Udo Lindenberg, Wolf Biermann oder auch Gianna Nannini gut studiert: Pusch rockte den „Vino Greco“ mit rauchiger Stimme, zog in Manier von Lindenberg die markante Schnute und besang nuschelnd die „Dancing Queen“ auf der Reeperbahn. Im Stil von Wolf Biermann wurde „Ti amo“ zur Lovestory der Arbeiterklasse. Das Repertoire der beiden Musiker von Heavy Metal über Rock und Schlager bis zur Klassik erwies sich als so lückenlos, dass sie ohne Notenvorlage von „Rammstein“ zu Ramazzotti, von Ramazzotti zu Biermann oder zur Walzermelodie von Johann Strauß zu wechseln imstande waren. Vergnüglich war zudem ein hanebüchenes Musical, für dessen komischen Inhalt ebenfalls das Publikum verantwortlich war: Spargelbauer Emil begegnet auf der Büttelborner Gass’ der Bankerin Emilia und galoppiert mit ihr am Ende über den Spargelacker. Die beiden Musiker waren für jeden Spaß zu haben, komponierten aus den Zurufen unverzagt eine Story zusammen, verquickt im gewünschten Melodienrausch aus Country-Musik, Boogie-Woogie und wiegenden Walzertakten. Heiterkeit einte die beiden musikalischen Hasardeure und ihr Publikum. Mit Zugabe und großem Beifall klang der fantasievolle, unvergessliche Abend aus.

Quelle: Groß-Gerau Echo 31.01.2022 – Text: Charlotte Martin – Bild: Robert Heiler