Medienecho

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In Büttelborn ist die freiwillige Unfreiheit Thema

Provokante Fragen zur freiwilligen Unfreiheit – etwa im Eheleben oder im religiösen Glauben – machen dem Kabarettisten Özgür Cebe Spaß. Wenn er sie in alltägliche Anekdoten verpackt, wie sie so oder ähnlich jeder kennt, lacht das Publikum vergnügt auch über sich selbst.

Im Café Extra nahm Özgür Cebe, Gewinner des Reinheimer Satirelöwen 2021, den Traum von Freiheit und deren reale Grenzen aufs Korn. Ob Frau und Mann, Bedürfnis und Verzicht, Ehe, Kinder oder die Freiheit durch Scheidung, ob Religionen, die „unmoralische Politik, die Moral einfordert“, ob Klimawandel, Digitalismus, Feminismus oder Populismus – all diese Aspekte fanden im pointierten Geplauder des Kabarettisten mit türkisch-armenisch-kurdischen Wurzeln Platz.

Wortgewandt touchierte er viele Themen, schien bisweilen den Faden zu verlieren, nahm ihn heiter wieder auf: „Zurück zum Thema: Freiheit“. Er riet, mehr als die üblichen fünf Prozent des bewussten Denkens zu nutzen: „95 Prozent des Lebens leben wir nach Konditionierung.“ Wie viel Manipulation da zum Tragen komme, sollte doch zu denken geben, meinte er: „Wir wurden ja alle nach bestem Wissen und Gewissen konditioniert. Und: Wo bleibt dabei die Freiheit?“ Kritisches Denken sei umso nötiger, als Politiker heute keine Orientierung mehr gäben. Cebe: „Mainstream-Politiker – worauf kann man sich da noch verlassen? Die Kluft zwischen Politik und Volk war noch nie so groß.“

Der Kabarettist skizzierte den Verlust echten Lebens in der digitalen Revolution, skizzierte die Absurdität, dass Flüchtlinge in ein Land fliehen, in dem die Waffen gebaut werden, mit denen in ihrer Heimat Krieg geführt wird. Schlecht stehe es um eine freiheitliche Demokratie, die „aus Angst vorm Ausstieg aus dem Kapitalismus nichts gegen den Klimawandel tut.“ Özgür Cebe stellte fest, der Traum von Freiheit erweise sich als zu groß.

Was bleibt? „Die Sehnsucht nach Freiheit. Aber das Interessante an der Freiheit ist ja ihre Interpretierbarkeit.“ So finden Populisten sie in ihrer ewigen Gestrigkeit, die Verschwörungstheoretiker darin, die Erde für eine Scheibe halten zu dürfen. Cebe: „Früher gab es in jedem Dorf einen Trottel, heute sind die Trottel als Reichsbürger vernetzt und das ist gefährlich.“ Für Feministinnen bestehe Freiheit darin, allein weibliche Menschen schwesterlich anzuerkennen, stichelte Özgür Cebe, und die Christen wendeten ihre Art der Freiheit an, indem sie an einen europäisierten Jesus glauben, der doch in Wahrheit Palästinenser war.

Aus all dem ging an diesem Abend die Freiheit der Gedanken und des Wortes hervor, die Cebe auf der Bühne zelebrierte. Er bilanzierte: „Wer will denn schon wirklich frei sein? Sind wir der Freiheit überhaupt gewachsen? Wenn wir etwa ein kleines Kind im großen Bett sich selbst überlassen, wird es sich rasch in eine der Ecken verkriechen, wo es Geborgenheit findet.“ Raps und Songs, teils zu alten Melodien neu getextet, umrahmten den Abend. So musste etwa „A wonderful world“ nun der Neuinterpretation einer „digital world“ weichen. Und es war ein Rap, mit dem Cebe die ersehnte Freiheit letztlich in der Innenwelt verortete. „Von der Freiheit tief drinnen“ lässt sich schön singen.

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 14.11.2022 – Text: Charlotte Martin – Bild: Marc Schüler