Medienecho

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Fischstäbchen in Motoröl

Kinder aufzuziehen ist noch immer ein Abenteuer: durch die Einfälle der lieben Kleinen, die Vorstellungen anderer Eltern, die Querschüsse aus dem Rest der Welt. Aus dieser Quelle schöpft auch Barbara Ruscher den Stoff für ihre Kabarettprogramme und Bücher. Mit ihrer aktuellen Bühnenshow „Mutter ist die Bestie“ war sie am Freitagabend zu Gast im Café Extra.

Etwa 20 Gäste waren gekommen, einige Plätze blieben frei. Erkältet war sie auch, und die Tontechnik spielte nicht mit. Eine Show mit Hindernissen also, aber auch mit Clubatmosphäre und engem Kontakt zum Publikum.

Wenn es um Kinder geht, sind derzeit die Erlebnisse im Homeschooling ein großes Thema. Von ihrem unbezahlten Zusatzjob als Hauslehrerin berichtete Ruscher, von den 37 Mails aus der Schule, in denen 120 Seiten Anhänge auszudrucken waren, von Bildungsvideos auf Tiktok und dem Versuch, das Essensangebot der Schulmensa nachzuempfinden: mit Fischstäbchen in Motoröl. Der Chemieunterricht ließ sich immerhin nutzbringend bereichern, indem der Nachwuchs die Toilette mit Cola putzen durfte.

Ein Standardthema im Elternkabarett sind Kindergeburtstage. Feiern reicht heute nicht mehr, sondern ein Event muss es sein – am besten wird für drei Tage die Skihalle gemietet. Sie habe einen Retro-Geburtstag dagegen gesetzt: mit Sackhüpfen, Topfschlagen und Schokoladenwettessen. Die Kartoffelsäcke aus Fairtrade-Jute ließen allerdings prompt die Kartoffelallergie eines Kindes hochkochen, und Schlagen durften die Kinder auch niemanden, nicht mal Töpfe – also wurde daraus Topfstreicheln.

Der Nostalgieschub für das erwachsene Publikum kam gut an, geteilt wurde auch die Verzweiflung über die inzwischen üblichen Mitnehmtütchen zum Abschied der Gäste: „damit kein Kind auf dem Heimweg verhungert“. Helikopter-Eltern und Cappuccino-Mütter taugen immer als Ziel des Spotts, und Ruscher griff im aufgekratzten Gestus die Leiden ihrer amüsierten Zuhörer auf.

Etwa durch perfekte Mütter, die nicht nur zu jedem Schulfest einen Kuchen backen, sondern sogar wenn die Schule mal brennt. Patchwork-Familien wurden aufs Korn genommen mit Aufgliederung der vielfach verzweigten Verwandtschaften und Beziehungen – einschließlich des Bofrost-Manns, der schließlich auch eins der Kinder gezeugt hat.

Von den Zumutungen des modernen Lebensstils könnten manche ein Lied singen, Ruscher tat es, mehrfach. So über das gesundheitsbewusste Paar Dorle und Jörg oder über den Trendsport Standup-Paddling samt Sonnenbrand im Knie. An Klavier oder Ukulele begleitete sie sich dabei gekonnt, notfalls genügten auch zwei Autanflaschen als Perkussionsinstrumente.

Zum Thema Sport fielen ihr die datenhungrigen Armbänder namens Fitnesstracker ein: Die würden heute wohl von denen getragen, die früher gegen Volkszählung und Datenklau protestiert haben. Die Gesundheitsvorsorge würde derweil über die mit Antibiotika vollgestopften Hähnchen besorgt: „Das Huhn ist aber teuer – gibt’s das nicht auch von Ratiopharm?“

Ernstere Untertöne gab es zum Umgang der Gesellschaft mit Alleinerziehenden – Ruscher kann mitreden, da der Vater ihrer inzwischen jugendlichen Kinder verstorben ist. Warum werden Frauen mit Kindern immer noch schief angesehen, wenn sie arbeiten gehen, und müssen sich rechtfertigen – Männer aber nie? Das trifft Kabarettistinnen genauso wie Politikerinnen.

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 26.09.2022 – Text: René Granacher – Bild: Robert Heiler